Länger Lebensarbeitszeit, höhere Beiträge, gekürzte Renten, mehr Zuschuß vom Bund für die Rentenkassen – alles das wäre nötig um das Problem der Renten in den Griff zu bekommen. Alles keine Entscheidungen die eine Regierung bei den Bürgern beliebter macht. Aber eine Lösung soll nun geschaffen werden

 

Das Koalitionsprogramm der zu erwartenden großen Koalition sieht vor, dass eine Expertenkommission über die Entwicklung der Rentenversicherung über das Jahr 2025 hinaus entscheiden soll. Solche Reformkommissionen sind wie die Reformen der Rentenversicherung selbst nichts Neues.

 

Seit der Einführung der umlagefinanzierten Rente im Jahr 1957 fanden 60 Reformen des Systems statt, viele kleinere und einige größere. Keine der Reformen hat länger als zwei Legislaturperioden gehalten. Die Geschichte des deutschen Rentensystems ist durch ständige Nachsteuerungen geprägt. Daher ist der Vorschlag einer über Parteigrenzen hinaus besetzten Fachkommission an sich ein sinnvoller Weg. Die CDU hatte ihn bereits in ihrem Wahlprogramm. Von da fand er Eingang in den Entwurf des Koalitionsvertrages.

Eine solche Kommission hat mindestens zwei Vorteile. Erstens wird die Entscheidungsfindung aus den üblichen politischen Auseinandersetzungen zunächst herausgehalten. Daher fallen die notwendigen gesetzgeberischen Beschlüsse in der Folge relativ störungsfrei. Schließlich werden die grundlegenden Diskussionen bereits im Vorfeld innerhalb der Kommission geführt. Zweitens entsteht ein Konsens, der über die Grenzen der Parteien, die gerade in Regierungsverantwortung stehen, deutlich hinausreicht. Da Entscheidungen in der Rentenpolitik für sehr lange Zeiträume getroffen werden, schafft eine solche Verständigung mehr Stabilität, wenn sich anschließend die politischen Mehrheitsverhältnisse wieder ändern.

 

Änderungen wären erst ab 2030 nötig – jetzt sollen sie auf 2025 vorgezogen werden

Der Zeitraum, ab dem die Entscheidungen der Rentenreformkommission wirken sollen, lässt sich gut aus der demografischen Entwicklung ableiten. Eigentlich wären neue Weichenstellungen erst ab 2030 erforderlich falls die Rentenhöhe dann die Marke von 43% unterschreiten sollte. Bis zu diesem Jahr liefert das Sozialgesetzbuch mit einer Untergrenze für das Rentenniveau und einer Obergrenze für den Beitrag klar definierte Leitplanken für die Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung. Unabhängig davon bleibt es beim stufenweisen Anstieg des Renteneintrittsalters bis zum Jahr 2029. Bereits jetzt steht fest: Ab dem Geburtsjahr 1964 gibt es erst mit 67 Jahren eine reguläre Rente ohne Abschläge. Wie sich die Höhe und auch die Beiträge ab 2025 gestalten werden, ist Aufgabe der Rentenkommission.

 

Ein leicht zu erfüllendes Versprechen

Da die SPD aber eine Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent im Koalitionsvertrag festhalten wollte, wurde der Einsatz der Reformvorschläge kurzerhand auf die Zeit nach 2025 vorgezogen. Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt das Rentenniveau nämlich ohnehin weitgehend auf dem angestrebten Stand. Lediglich im Jahr 2025 wird es nach der Prognose der Rentenversicherung geringfügig unter diese Grenze sinken. Daher ist die im Koalitionsvertrag zugesicherte Festschreibung des Rentenniveaus auf 48 Prozent ein erst einmal leicht zu erfüllendes Versprechen.

Im Zeitraum 2025 bis 2045 schlägt die demografische Entwicklung mit voller Wucht auf die Rentenversicherung durch. Dann gelangen die geburtenstarken Jahrgänge ins Rentenalter. Die demografische Pause, die der letzten Regierungskoalition die Entscheidungen in der Rentenpolitik erleichterte, geht dann zu Ende. Geändert wurde schon oft – besser wurde es selten – gelöst wurde es nie.

 

Union und SPD haben ihre Rentenpläne verhandelt und sich bereits auf einige Punkte geeinigt. Das sind die Kernpunkte der Vereinbarung.

 

Haltelinien: Bis 2025 soll das Rentenniveau, das Verhältnis der Rente zum Lohn, nicht unter 48 Prozent fallen und der Beitragssatz nicht über 20 Prozent steigen. Die Werte sind zwar nicht weit von den derzeitigen Prognosen für beide Größen entfernt, doch Prognosen können sich mit der wirtschaftlichen Lage ändern – nun ist eine gesetzliche Fixierung und ein Eingriff in die Rentenformel geplant. Dazu wird eine Expertenkommission berufen.

Rentenkommission: Eine Rentenkommission mit Vertretern von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Wissenschaft soll bis März 2020 Vorschläge für die weitere Absicherung der Rente bis 2045 machen, denn der Renteneintritt der geburtenstarken Jahrgänge setzt das Rentensystem zunehmend unter Druck.

Selbstständige: Sie sollen sich, wenn sie nicht bereits etwa in einer berufsständischen Altersvorsorge sind, gesetzlich oder privat absichern müssen. Bei der gesetzlichen Rentenversicherung orientiert sich die Beitragshöhe für Selbständige am sogenannten Regelbetrag. Laut der Deutschen Rentenversicherung zahlen Existenzgründer im Jahr der Gründung sowie den darauffolgenden drei Jahren den halben Regelbetrag, das bedeutet aktuell monatlich 283,19 Euro in den alten Bundesländern und 250,64 Euro in den neuen Bundesländern. Danach greift der volle Betrag.

Langjährig Geringverdiener: Wenn sie trotz 35 Beitragsjahren durch Arbeit, Erziehung und Pflege nicht über Grundsicherung hinauskommen, sollen sie zehn Prozent Aufschlag bekommen. Dem soll eine Bedürftigkeitsprüfung vorausgehen. In ihren Häusern oder Wohnungen sollen die Betroffenen gesetzlich garantiert wohnen bleiben können.

Erwerbsminderungsrente: Wer neu wegen Krankheit frühzeitig Erwerbsminderungsrente bekommt, soll rentenrechtlich so behandelt werden, wie wenn er bis zum aktuellen Renteneintrittsalter gearbeitet hätte. Das betrifft rund 170.000 Menschen jedes Jahr.

Mütterrente: Mütter, die vor 1992 drei oder mehr Kinder zur Welt gebracht haben, sollen künftig auch das dritte Jahr Erziehungszeit in der Rente angerechnet bekommen.

Kosten und Finanzierung: Die genauen Kosten für das Paket könnten noch nicht angegeben werden, sagte SPD-Verhandlungsführerin Andrea Nahles es würden aber Milliardensummen werden. Allein die erweiterte Mütterrente soll 3,4 Milliarden Euro kosten. Geplant ist dafür ein Mix aus Beitrags- und Steuermitteln.

Standard-Riester-Produkt: Angeblich wollen Union und SPD mit der Versicherungswirtschaft Gespräche führen über ein einheitliches Riester-Produkt bei der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge. Zügig soll wohl ein “attraktives standardisiertes Riester-Produkt” entwickelt werden. Das Drei-Säulen-Modell aus gesetzlicher Rente, betrieblicher sowie privater Altersvorsorge soll bestehen bleiben.